Eröffnung des Dewey-Centers
John Dewey's Importance for Democracy and Education
Am 28. und 29.04.2005 wurde das Dewey-Center der Universität zu Köln im ehemaligen Seminar für Pädagogik der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät eröffnet. Heute befindet sich das Dewey-Center im Institut für Vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Das Center dient als Forschungsstelle der neueren Pragmatismus- und Konstruktivismusforschung und steht in engen internationalen Verbindungen zum amerikanischen Dewey-Center an der Southern Illionois University in Carbondale und weiteren Dewey-Centern weltweit. Mit der Eröffnung des Centers werden langjährige Forschungskontakte der Universität zu Köln mit der Southern Illinois University in Carbondale auf eine neue Grundlage gestellt. Aus ersten gemeinsamen Forschungen ging bereits der von Larry A. Hickman, Stefan Neubert und Kersten Reich herausgegebene Band: John Dewey – zwischen Pragmatismus und Konstruktivismus, Münster u.a. (Waxmann) 2004, hervor, der in diesem Jahr auch auf englisch erscheint.
In der Forschungsstelle, die in einer Anschubfinanzierung großzügig durch die amerikanische Partneruniversität, das Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW, das Rektorat der Universität und die Erziehungswissenschaftliche Fakultät gefördert wurde, gibt es nicht nur eine ausgewiesene Bibliothek zum amerikanischen Pragmatismus und insbesondere zu John Dewey, sondern auch umfangreiche elektronische Editionen der Werke, der Korrespondenzen und der Forschungen über Dewey. Dabei ist die neuere Entwicklung hin zu einer konstruktivistischen Weiterentwicklung des Pragmatismus in Köln besonders vertreten. Forschungsarbeiten insbesondere im Rahmen von Dissertationen und Habilitationen werden vom Vorstand des Dewey-Centers gefördert und beraten. Dem Vorstand gehören Prof. Dr. Kersten Reich aus der Pädagogik (Leiter) und Prof. Dr. Larry A. Hickman (Leiter Dewey-Center USA), Prof. Dr. Holger Burckhart (Philosophie), Prof. Dr. Klaus Klein (Biologie), Prof. Dr. Gerhard Mertens (Pädagogik) und Dr. Stefan Neubert (Pädagogik) an.
Zur Eröffnung des Dewey-Centers wurde eine Tagung in englischer Sprache veranstaltet, auf der namhafte Pragmatismusforscher in den gegenwärtigen Stand der Forschung einführten. Prof. Dr. Larry A. Hickman sprach über „Evolutionary Naturalism, Logic, and Life-Long-Learning: Three Keys to Dewey’s Philosophy of Education“. In seinem Beitrag machte Hickman darauf aufmerksam, dass es für den Pragmatismus wichtig ist, einen Naturalismus ohne problematische Naturalisierungen zu begründen. Vielmehr kommt es darauf an, wissenschaftliche Forschungsmethoden in Bezug auf die Handlungen zu rekonstruieren, die entweder im Gegenstandsfeld der Forschung oder in den Forschungsprozeduren selbst genutzt werden. Hier erscheint es für die gegenwärtige Forschung als wichtig, an die Theorie der Forschung (theory of inquiry) von Dewey zu erinnern, da diese helfen kann, ein eng forschungs- und gegenstandbezogenes Denken im Forschungsprozess mit einer kontextbezogenen Perspektive zu verbinden. Hickman zeigte, inwieweit dies gerade für naturwissenschaftliche und technologische Forschungen gelten kann und welche Bedeutung dies auch für ein lebenslanges Lernen beinhaltet. Beunruhigt zeigte sich der Forscher darüber, dass in den USA mit dem Creationism heute der religiöse Glaube verstärkt in die naturwissenschaftliche Bildung eindringt und Schülern an vielen Schulen gegenwärtig die Darwinsche Evolutionstheorie aus religiösen Gründen verwehrt wird.
Prof. Dr. Hans Seigfried (Loyola University in Chicago) sprach über Bedingungen und Formen des „Social Inquiry“ in Deweys Ansatz. Er konnte darlegen, dass Deweys Forschungstheorie heute wieder zunehmend in den Sozial- und Kulturwissenschaften Relevanz gewinnt, da sie weder die Gefahren der Kompexitätsreduktion übersieht noch sich zu sehr auf Beliebigkeit der Ergebnisse einlässt. Das Kriterium der Handlungsanalyse ist auch für Seigfried leitend, um die wissenschaftliche Forschung nicht zu abgehoben von vorhandenen Problembezügen zu entwickeln.
Prof. Dr. Jim Campbell (University of Toledo) zeigte die hohe Relevanz des Pragmatismus für die gegenwärtige politische Philosophie. Viele der Konflikte, die Dewey für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieb, wirken bis heute fort. Aber mehr noch zeigt die grundsätzliche demokratische Orientierung des Ansatzes, dass bis heute das notwendige demokratische Potenzial weder ausgeschöpft ist noch ungefährdet Bestand hat. Diese Ideen wurden bei Prof. Dr. Judith Green (Fordham University New York) und Prof. Dr. Kersten Reich (Universität Köln) vertieft. Judith Green verglich das Demokratiekonzept von John Dewey mit dem von Richard Rorty, was eine rege Diskussion auf der Konferenz auslöste. Im Pragmatismus gibt es eine Diskussion darüber, inwieweit Rorty Deweys Anliegen gezielt fortführt oder hiervon zu sehr abweicht. Hierzu waren die Meinungen geteilt. Kersten Reich hingegen machte darauf aufmerksam, dass nach Deweys Kriterien einer demokratischen Entwicklung insbesondere das deutsche Schulsystem mit seiner frühen Selektion als problematisch anzusehen ist. Die zwei zentralen Kriterien für die Demokratieentwicklung bei Dewey lauten, dass erstens innerhalb einer Gruppe Verschiedenheit (Pluralität) wachsen soll; zweitens, dass unterschiedliche plurale Gruppen miteinander in einem Austausch stehen sollen, der alle Seiten bereichert. Reich fügte den Kriterien ein drittes hinzu, das implizit bei Dewey angelegt ist: Über das Lernen müssen diese Kriterien nachhaltig erlernt werden können. Hierbei haben integrierte Schulsysteme (comprehensive schools) eindeutige Vorteile gegenüber dem dreigliedrigen Schulsystem in Deutschland, das auch die in es gesetzten Erwartungen nicht hat erfüllen können (Pisa-Schock).
Prof. Dr. Jim Garrison (Virginia Tech University) und Prof. Dr. Charlene Haddock Seigfried (Purdue University) erörterten Fragen der Emotionen und des Begehrens im Blick auf Kultur- und Lernprozesse. Solche Fragen sind in der neueren Pragmatismusforschung besonders relevant geworden. Während Garrison einen Einblick in seine Theorie des konstruktiven Zuhörens als Weiterentwicklung Deweys gab, erörtere Seigfried neuere Entwicklung des Feminismus in der pragmatistischen Forschung. Sie setzte sich hierbei kritisch mit der Genderfrage im Pragmatismus vor allem bei William James, John Dewey und bei feministischen Pionierinnen wie Jane Addams auseinander. Dr. Stefan Neubert (Universität Köln) ging in seinem Vortrag auf Fragen des Pluralismus und Perspektiven der Differenz und Diversität ein. Er konnte anschaulich zeigen, dass es bei diesen aktuellen Fragen lohnt, sich mit Dewey auseinander zu setzen, aber dass es auch Punkte im Anschluss an heutige Forschungen und Diskussionen gibt, die kritisch über den klassischen Pragmatismus hinausweisen.
Alle Beiträge der Konferenz werden demnächst von Jim Garrison als ein Buch in den USA herausgegeben.
Das abschließende halbtägige Forschungskolloquium, an dem Doktoranden und Habilitanden aus dem deutschen Sprachraum neben den Referenten teilnahmen, wurde von allen Teilnehmern sehr begrüßt. Hier wurden offen gebliebene Fragen aus den einzelnen Vorträgen diskutiert. Alle Referenten berichteten über den aktuellen Forschungsstand der Pragmatismusforschung in ihren jeweiligen Arbeitsfeldern. Einige Doktoranden und Habilitanden diskutierten das Konzept ihrer Forschungsarbeiten und erhielten ermunterndes wie kritisches Feedback. Die dabei geknüpften Kontakte zwischen den Forschern wurden als wegweisend angesehen.
Bild zur Tagung:
Von links nach rechts:
Judith Green, Stefan Neubert, Klaus Klein, Kersten Reich, James Campbell, Jim Garrison, Hans Seigfried, Larry A. Hickman, Charlene Haddock Seigfried
Contributions to the Opening of the Dewey-Center Cologne, April 28-29, 2005
Program 28.04.05
10.00 Opening (Rektorat und Dekanat)
10.30 Larry Hickman (Southern Illinois University Carbondale, USA):
Evolutionary Naturalism, Logic, and Life-Long Learning: Three Keys to Dewey's Philosophy of Education
11.30 - 11.45 Pause
11.45 Hans Seigfried (Loyola University)
Social Inquiry in Dewey
14.00 Jim Campbell (University of Toledo)
The Political Philosophy of Pragmatism and its Implications for the Present
15.00 - 15.15 Pause
15.15 Judith Green (Fordham University New York, USA):
Deep Democracy
16.15 - 16.30 Pause
16.30 Kersten Reich (University of Cologne):
Democracy and Education after Dewey -- Pragmatist Implications for Constructivist Pedagogy
Program 29.04.05
09.00 Jim Garrison (Virginia Tech University, USA):
A Pragmatist Conception of Creative Listening to Emotional Expressions in Dialogues across Difference
10.00 - 10.15 Pause
10.15 Stefan Neubert (University of Cologne):
Dewey's Pluralism Reconsidered -- Pragmatist and Constructivist Perspectives on Difference and Diversity
11.15 - 11.30 Pause
11.30 Charlene Haddock Seigfried (Perdue University, USA): Pragmatism and Feminism - past and present
Forschungskolloquium für zuvor angemeldete und in der Dewey-Forschung aktive Forscherinnen und Forscher mit allen Vortragenden
14.00 - 18.00 Colloquium on future research perspectives
Dieses Abschlusskolloquium stand insbesondere Forscherinnern und Forschern offen, die eigene Fragen einbringen, Kontakte aufnehmen oder theoretische Perspektiven mit allen Referentinnen und Referenten diskutieren wollten.
Prof. Dr. Lay A. Hickman sprach über „Evolutionary Naturalism, Logic, and Life-Long-Learning: Three Keys to Dewey’s Philosophy of Education“. In seinem Beitrag machte Hickman darauf aufmerksam, dass es für den Pragmatismus wichtig ist, einen Naturalismus ohne problematische Naturalisierungen zu begründen. Vielmehr kommt es darauf an, wissenschaftliche Forschungsmethoden in Bezug auf die Handlungen zu rekonstruieren, die entweder im Gegenstandsfeld der Forschung oder in den Forschungsprozeduren selbst genutzt werden. Hier erscheint es für die gegenwärtige Forschung als wichtig, an die Theorie der Forschung (theory of inquiry) von Dewey zu erinnern, da diese helfen kann, ein eng forschungs- und gegenstandbezogenes Denken im Forschungsprozess mit einer kontextbezogenen Perspektive zu verbinden. Hickman zeigte, inwieweit dies gerade für naturwissenschaftliche und technologische Forschungen gelten kann und welche Bedeutung dies auch für ein lebenslanges Lernen beinhaltet. Beunruhigt zeigte sich der Forscher darüber, dass in den USA mit dem Creationism heute der religiöse Glaube verstärkt in die naturwissenschaftliche Bildung eindringt und Schülern an vielen Schulen gegenwärtig die Darwinsche Evolutionstheorie aus religiösen Gründen verwehrt wird.
Prof. Dr. Hans Seigfried (Loyola University in Chicago) sprach über Bedingungen und Formen des „Social Inquiry in Dewey“. Er konnte darlegen, dass Deweys Forschungstheorie heute wieder zunehmend Relevanz gewinnt, da sie weder die Gefahren der Kompexitätsreduktion übersieht noch sich zu sehr auf Beliebigkeit der Ergebnisse einlässt. Das Kriterium der Handlungsanalyse ist auch für Seigfried leitend, um die wissenschaftliche Forschung nicht zu abgehoben von vorhandenen Problembezügen zu entwickeln.
Prof. Dr. Jim Campbell (University of Toledo) zeigte die hohe Relevanz des Pragmatismus für die gegenwärtige politische Philosophie. Viele der Konflikte, die Dewey für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts beschrieb, wirken bis heute fort. Aber mehr noch zeigt die grundsätzliche demokratische Orientierung des Ansatzes, dass bis heute das notwendige demokratische Potenzial weder ausgeschöpft ist noch ungefährdet Bestand hat.
Diese Ideen wurden bei Prof. Dr. Judith Green (Fordham University New York) und Prof. Dr. Kersten Reich (Universität Köln) vertieft.
Judith Green verglich das Demokratiekonzept von John Dewey mit dem von Richard Rorty, was eine rege Diskussion auf der Konferenz auslöste. Im Pragmatismus gibt es eine Diskussion darüber, inwieweit Rorty Deweys Anliegen gezielt fortführt oder hiervon zu sehr abweicht. Hierzu waren die Meinungen geteilt.
Kersten Reich hingegen machte darauf aufmerksam, dass nach Deweys Kriterien einer demokratischen Entwicklung insbesondere das deutsche Schulsystem mit seiner frühen Selektion als problematisch anzusehen ist. Die zwei zentralen Kriterien für die Demokratieentwicklung bei Dewey lauten, dass erstens innerhalb einer Gruppe Verschiedenheit (Pluralität) wachsen soll; zweitens, dass unterschiedliche plurale Gruppen miteinander in einem Austausch stehen sollen, der alle Seiten bereichert. Reich fügte den Kriterien ein drittes hinzu, das implizit bei Dewey angelegt ist: Über das Lernen müssen diese Kriterien nachhaltig erlernt werden können. Hierbei haben integrierte Schulsysteme (comprehensive schools) eindeutige Vorteile gegenüber dem dreigliedrigen Schulsystem in Deutschland, das auch die in es gesetzten Erwartungen nicht hat erfüllen können (Pisa-Schock).
Prof. Dr. Jim Garrison (Virginia Tech University)
und Prof. Dr. Charlene Haddock Seigfried (Purdue University)
erörterten Fragen der Emotionen und des Begehrens im Blick auf Kultur- und Lernprozesse. Solche Fragen sind in der neueren Pragmatismusforschung besonders relevant geworden. Während Garrison einen Einblick in seine Theorie des konstruktiven Zuhörens als Weiterentwicklung Deweys gab, erörtere Seigfried neuere Entwicklung des Feminismus in der pragmatistischen Forschung. Sie setzte sich hierbei kritisch mit der Genderfrage im Pragmatismus vor allem bei William James und John Dewey auseinander.
Dr. Stefan Neubert (Universität Köln) ging in seinem Vortrag auf Fragen des Pluralismus und Perspektiven der Differenz und Diversität ein. Er konnte anschaulich zeigen, dass es bei diesen aktuellen Fragen lohnt, sich mit Dewey auseinander zu setzen.
Während der Tagung wurde nicht nur über Dewey gesprochen, sondern John Dewey wurde handlungstheortisch überprüft. Der Dewey Cake half hierzu: Die Überprüfung der Genießbarkeit einer Theorie liegt im Ausprobieren, d.h. hier im Essen.