Konzept
ZURÜCK AUF LOS - Versuchsanordnung im Foyer der Humanwissenschaftlichen Fakultät
Die Fensterfront befreit von Pflanzcontainern, Ziegel- und Keramikwände ohne Postfächer und Infokästen, keine Plakate an den Wänden und keine Getränkeautomaten in der Ecke. Im Rahmen des Projektes ZURÜCK AUF LOS soll das Foyer der Humanwissenschaftlichen Fakultät vom 5. bis 24. Juli 2009 auf seine architektonische Grundkonzeption zurückgeführt werden. Durch eine vorübergehende Re-Installation des Foyers in die 1950er Jahre soll sichtbar werden, was der Lauf der Zeit mit seinen materiellen Ansammlungen zunehmend verdeckt hat: ein in der Tradition der sogenannten ‚Freiheitsmoderne' entstandenes Gebäude mit flacher Raumhierarchie, fensterseitig lichtgeflutet, unter bevorzugter Verwendung von Ziegel, Glas und lichtreflektierenden Kacheln erbaut und durch große Panoramafenster in Verbindung mit dem begrünten Umfeld. Exemplarisch steht es für die immer noch unterschätzte Architektur der 1950er Jahre.
Das Projekt ZURÜCK AUF LOS unter Leitung von Dr. Heidi Helmhold, Professorin für ästhetische Theorie und Praxis der Textilwissenschaft am Institut für Kunst der Humanwissenschaftlichen Fakultät, will den Nutzern und Besuchern des Gebäudes einen neuen Blick insbesondere auf die Foyerarchitektur ermöglichen. Die gemeinsam mit Studierenden erarbeitete Konzeptidee hat zudem eine Unterbrechung von Alltagsroutinen und Sehgewohnheiten zum Ziel. Auf diese Weise soll ein Nachdenken und eine Diskussion über eine zukünftige veränderte Nutzung des Fakultäts-Foyers initiiert werden, die sich stärker an den Bedürfnissen von Lehrenden und Studierenden orientiert und die Fakultät als Ort universitären Lehrens und Lernens begreift. Alle Einbauten und Geräte werden ausgelagert oder entfernt. Soziale Interaktionen - Ausrufen von Informationen, eine Milchbar, künstlerisch-performative Putzaktionen, Studierendenführungen und ein Diskussionsforum mit Architektur- und Körpertheoretikern, Nutzern und Stadtplanern begleiten das Projekt.
Idee
Die Konzeptidee ZURÜCK AUF LOS wurde gemeinsam mit Studierenden der Humanwissenschaftlichen Fakultät erarbeitet. Dies geschah zunächst in der direkten Befragung des architektonischen Baukerns. In Führungen durch die Fakultät wurde der Ort der Lehre, die Fakultät, als Ort von studentischer Identität aufgesucht und in Parametern von Raumnutzung, Raumanmutung und Territoriumsbezug diskutiert.
Im Sommersemester 2008 setzten Studierende des Faches Kunst im Schwerpunkt Materielle Kultur die Diskussionsergebnisse in Entwurfsarbeiten um. Der Ort von Lehren und Lernen wurde in Beziehung zu Raum- und Körpertheorie gesetzt, dies sowohl auf einzelne Seminarräume wie auf die räumliche Gesamterscheinung der Fakultät bezogen. Im Modell 1:10 entstanden Handlungsfelder universitären Lernens und Lehrens, die allesamt auf eine Architektur aus Sicht seiner Nutzer abzielten. Die Ergebnisse dieser Studie sind in einer Print-Dokumentation, Entgrenzte Räume:Embodied Mind, veröffentlicht worden (siehe auch http://www.heidi-helmhold.de/20-0-raum.html).
Situationen von Lehren und Lernen, so eines der Ergebnisse, unterliegen in dieser Fakultät weitestgehend dem Behälterraummodell und führen keine Reflexion darüber, dass erst durch in Bezugnahme von Raum, Mensch und sozialen Gütern, dem sogenannten Spacing (Martina Löw), ein räumlicher Identitäts- und Verantwortungsprozess stattfinden kann.
Im Wintersemester 2008/2009 wurde auf Grundlage dieses Seminarergebnisses gemeinsam mit dem studentischen Schulentwicklungsprojekt der Fakultät, School is open, Strategien für das oben skizziertes Foyerprojekt erörtert. Mit den künstlerischen Mitteln einer räumlichen Intervention werden Fragen zur Identität von Ort, zur Raumpraxis Nutzung und zur räumlichen Erstsituation „Foyer" erarbeitet. Die Objektleere des Raumes wird durch soziale Interaktionen in eine Beziehungsdichte überführt werden. Anstelle des vorwiegend als Passagenraum genutzten Foyers treten wandernde Funktionsräume.
Um nach Ablauf des Projektes modifizierte Spacing-Prozesse im Foyer initiieren zu können, werden während des Projektes architekturpsychologische Daten erhoben (Blicklenkungsverfahren und Erhebung von Stressfaktoren bei Probanden). Diese Daten werden nach Abschluss des Projekts qualitativ ausgewertet und werden in die Entscheidungsprozesse bei der Rückmöblierung des Foyers einfließen.
Prof. Dr. Heidi Helmhold