Professur für Erwachsenenbildung und Weiterbildung

 

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Nachruf Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim H. Knoll

Am 22. März 2024 verstarb Joachim H. Knoll, langjähriger Lehrstuhlinhaber für Erwachsenenbildung und außerschulische Jugendbildung an der Ruhr-Universität Bochum. Er wurde am 23. November 1932 in Freystadt, Schlesien, geboren und wuchs nach Kriegswirren und Flucht mit der Familie in Bayern auf. Nach dem Abitur studierte Joachim H. Knoll Geistesgeschichte, Geschichte, Germanistik und Volkswirtschaftslehre in München und Erlangen.

Dort wurde er 1956 mit der Arbeit „Die Elitebildung im Liberalismus des Kaiserreiches“ zum Dr. phil. promoviert. Nach dem Studium war Joachim H. Knoll zunächst für zwei Jahre beim Südwestfunk Baden-Baden als Journalist tätig. Danach führte ihn sein Weg zunächst an die Universität Hamburg und sodann mit dem ersten Ruf auf eine Professur an die PH Bonn. Im Jahre 1964 wurde er an die gerade gegründete Ruhr-Universität Bochum auf den Lehrstuhl für Erwachsenenbildung und außerschulische Jugendbildung berufen. Trotz weiterer auswärtiger Rufe blieb Joachim H. Knoll der Ruhr-Universität Bochum bis zu seiner Emeritierung 1998 treu.

Aus seinem ausgesprochen umfangreichen und beachteten Gesamtwerk, das von Arbeiten zur Geschichte und Struktur der Erwachsenenbildung, zur Allgemeinen Erziehungswissenschaft bis hin zu Studien zur Jugendbewegung und Jugendforschung reicht, ragen insbesondere die Arbeiten zur internationalen und vergleichenden Erwachsenenbildung sowie zum Jugendmedienschutz heraus.

Joachim H. Knoll beteiligte sich mit seiner Berufung auf den Lehrstuhl in Bochum maßgeblich am Aufbau und der Etablierung der Erwachsenenbildung als erziehungswissenschaftlicher Teildisziplin. Das spiegelt sich in vielfachen Beiträgen und Büchern wider, wie etwa einer Einführung in die Erwachsenenbildung, die er 1973 vorlegte. Zudem war er in der Sektion Erwachsenenbildung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft aktiv und gehörte von 1978 bis 1980 gemeinsam mit Gerd Doerry und Wilhelm Mader dem Sprecherteam an.

Es gehört zu den zentralen wissenschaftlichen Leistungen von Joachim H. Knoll, dass er sich in jener konstituierenden Phase der Erwachsenenbildungswissenschaft bereits internationalen und vergleichenden Fragen zuwandte. Ab Ende der 1960er Jahre wurden Arbeiten zum deutsch-deutschen Vergleich oder zur Bedeutung der inter- und supranationalen Organisationen vorgelegt. Einen weiteren Eckstein der internationalen Orientierung stellte die Begründung des Internationalen Jahrbuchs der Erwachsenenbildung dar. Im ersten Band schrieb Joachim H. Knoll 1969 im Vorwort: „Immer wieder habe ich gespürt, dass es in der Erwachsenenbildung und in den wissenschaftlichen Institutionen, die sich mit Erwachsenenbildung befassen, an Kooperation, an internationaler Kenntnis und an einer Diskussion mangelt, die Verbesserungen, Korrekturen oder auch Selbstgewißheit veranlaßt. (...) Dieses Jahrbuch möchte versuchen, ein Forum für ein internationales Gespräch zu werden, wobei jeweils ein die Wissenschaft oder Praxis in besonderer Weise interessierendes oder betreffendes Problem im Mittelpunkt eines vielfältigen Spektrums stehen soll“. Joachim H. Knoll verantwortete 26 Bände des Jahrbuchs. Weitergeführt von Klaus Künzel und derzeit herausgegeben von Michael Schemmann liegen nunmehr insgesamt 46 Bände vor.

Zum Selbstverständnis von Joachim H. Knoll gehörte es auch, sich über die Ruhr-Universität hinaus für die internationale Sache stark zu machen. Er lehrte und forschte u.a. in Vancouver (Kanada), New York und Syracuse (USA), Hanoi (Vietnam), Taipeh (Taiwan) und Pécs (Ungarn) und vermochte auch auf dem afrikanischen Kontinent den Aufbau von Erwachsenenbildungsstrukturen zu unterstützen und zu begleiten. Seine herausragende Expertise in der internationalen Erwachsenenbildungsforschung und der auswärtigen Kulturpolitik stellte er zudem in vielfältigen anderen Kontexten zur Verfügung. So war er etwa langjähriges persönliches Mitglied und zuletzt Ehrenmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission.

Joachim H. Knoll hat auch im Bereich des Jugendmedienschutzes wegweisende Arbeit geleistet. In Zeiten, in denen schrill und aufgeregt nach Verboten von Medien für Jugendliche gerufen wurde, unterstützte Joachim H. Knoll immer wieder die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften/Medien durch Gutachten und Expertisen, versachlichte die Diskussion und entspannte mithin die öffentliche Aufregung.

Als Wissenschaftler stellte sich Joachim H. Knoll auch in den Dienst von Erwachsenenbildungspolitik und -praxis. Im Jahre 1967 etwa setzte er gemeinsam mit Horst Siebert und Georg Wodraschke einen bildungspolitischen Akzent und legte den „Bochumer Plan als Beitrag zum Dritten Bildungsweg“ vor, der Erwachsenen den Weg zu einer staatlich anerkannte „mittlere Reife“ auf der Grundlage einer teilnehmer:innenorientierten Themenwahl anstelle eines schulischen Fächerkanons eröffnen sollte. Er wirkte zudem in verschiedenen Kommissionen zur Beratung der Politik, so etwa in der Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung.

Wie selbstverständlich engagierte er sich auch in Beratungsgremien und Beiräten von Praxisverbänden wie dem Deutschen Volkshochschulverband, dem DVVI oder dem Deutschen Roten Kreuz.

Schon zu Lebzeiten fanden Joachim H. Knolls Lebenswerk und sein umfangreiches Schaffen und Wirken Anerkennung. Er wurde etwa in die International Adult and Continuing Education Hall of Fame aufgenommen, erhielt 2004 den Ehrendoktor der Freien Universität Berlin sowie 2005 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

Seiner Wahlheimat Hamburg entsprechend war Joachim H. Knoll Hanseat durch und durch, stets stilsicher und die Form wahrend, dabei zugleich liberal und zugewandt und im besten Sinnes des Wortes neugierig. Seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen förderte er uneingeschränkt und loyal. Nicht zuletzt deshalb konnten sich viele an anderen Universitätsstandorten selbst als Professorinnen und Professoren durchsetzen. Joachim H. Knoll zeichneten sein achtersinniger Humor, seine Begeisterung für das Neue und der Wunsch, den Sachen auf den Grund gehen und alles verstehen zu wollen, bis ins hohe Alter aus. Das war die Triebkraft für eine herausragende Wissenschaftspersönlichkeit, die bis zuletzt weiter lernen und mehr wissen wollte.

Wie werden uns seiner dankbar erinnern und ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Klaus Künzel & Michael Schemmann