WiSe 15/16
Instrumentale Transformation – Musik, Migration und Mobilität
Musikinstrumente nehmen eine exponierte Stellung in vielen, ja sogar den
meisten Gesellschaften dieser Welt ein, die weit über die bloße
Klangerzeugung hinausgeht. Während sie früher etwa u.a. in Gestalt von
Trommeln oder Perkussionsinstrumenten in traditionalen religiösen Kulten
als Symbole und Werkzeuge für die Vermittlung zwischen dem Dies- und
Jenseits fungier(t)en, stellt(e) sich ihre Funktion in vielen so
genannten „Hochkulturen“ zumeist anders dar. Dort kommt ihnen neben der
Symbolfunktion mitunter eine musiktheoretische Schlüsselrolle zu,
insofern als an ihnen Tonsysteme exemplifiziert werden (können), ja die
Entstehung von Musiktheorie und Schlüsselinstrument sogar unmittelbar
miteinander verknüpft sind (Orgel/Klavier im Abendland, Oud im
arabischen Raum, Monochord in der Griechischen Antike, Qin in China oder
Vina in Indien, etc.).
Von jeher gibt es Migrationsbewegungen, die zu einem Austausch zwischen
Gesellschaften und kulturellen Gebrauchsweisen von Musik führten. In
besonderem Maße ist dies einerseits in der Welt der Musik hörbar und
andererseits in der Sphäre der Musikinstrumente sichtbar. Deutlich wird,
dass manche Musikinstrumente keineswegs autochthon sind, sondern aus
unterschiedlichen Gründen in jeweils neue soziale und kulturelle
Kontexte gelangten und dennoch dort als autochthon (v)erklärt werden.
Dass beispielsweise die Bouzouki kein genuin irisches Instrument ist,
sondern vielmehr als griechisches Nationalinstrument verstanden wird,
ist bekannt. Gleichwohl nimmt sie in Irland (in etwas veränderter
Bauweise) seit Ende der 1960er einen festen Platz in der irischen
Folkmusik ein. Auch das Didgeridoo ist natürlich nicht in den
Fußgängerzonen westlicher Metropolen oder auf deren Weltmusik-Bühnen
entstanden, sondern viel mehr bei den Aborigines in Australien, die mit
diesem Instrument gar den Anbeginn der Welt konnotieren. Das Banjo
wiederum gehört heute im Kontext der Bluegrass-Musik ganz
selbstverständlich zum Standardinstrumentarium. Die fast ausschließlich
weißen Musiker dieser Stilistik können und wollen keineswegs auf das
wahrscheinlich aus Afrika zurückzuführende Instrument und dessen
charakteristischen Klang verzichten.
Wenngleich ähnliche Fälle in großer Zahl existieren, ist es von
besonderem Interesse im jeweiligen Einzelfall folgenden Fragen auf den
Grund zu gehen: Wie wirkte sich die Implementierung der zunächst „neuen“
Instrumente in den kulturellen Kontexten aus, welches Veränderungs-
und auch Konfliktpotential beinhaltete dies (oder auch nicht), wie
gelangten die jeweiligen Instrumente in die für sie geografisch neuen
Räume und wie wurden sie diesen letztlich hinsichtlich Gebrauch und
Funktion angepasst. Welche gesellschaftlichen Prozesse stehen im
Hintergrund? Was sagt die Migration von Musikinstrumenten über
gesellschaftliche Mobilität: in geografischer, sozialer und auch
ästhetischer Hinsicht.