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Pädagogik und Didaktik bei Menschen mit geistiger Behinderung

 

Grundannahmen und Leitideen des Lehrstuhls

Die Arbeits- und Denkweise im Bereich „Pädagogik und Didaktik bei Menschen mit geistiger Behinderung“ ist maßgeblich geprägt von Reflexivität. Der Begriff steht für Rückbezüglichkeit auf der Suche nach dem wissenschaftlich Unbewussten (vgl. Bourdieu/Waquant 1996). Der Mensch in seinen konkreten Bezügen, mit seinen unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen, Lebenslagen und Entwicklungspotentialen wird zum Ausgangspunkt, ebenso damit verbundene erziehungs-, resp. bildungswissenschaftliche Fragestellungen. Die Reflexivität bezieht sich auf den Gegenstand des Faches. Zugleich kommt jedoch auch der Selbstreflexivität große Bedeutung zu.


Der Arbeitsbereich „Pädagogik und Didaktik bei Menschen mit geistiger Behinderung“ vertritt den Schwerpunkt Inklusion umfänglich in Lehre und Forschung.

Inklusion gilt als gesamtgesellschaftliches Anliegen und bezieht sich auf alle Lebensbereiche und Lebensaltersphasen mit dem Ziel, humanen gemeinsamen Lebens und Lernens. Menschliche Verschiedenheit wird als Ressource wertgeschätzt und anerkannt.

Seit 2007 begründete und stets laufende Projekte zum Themenfeld Inklusion sind die Folgenden: INKLUNET als Informationsportal für alle am Themenfeld „Inklusion“ Interessierte, der Didaktikpool  mit konkreten Ideen für die Gestaltung von Unterricht und das INKLUSION – LEXIKON (Online Lexikon) mit relevanten Begriffen im Kontext von Inklusion.

Im Fach „Pädagogik und Didaktik bei Menschen mit geistiger Behinderung“ erfolgt die Auseinandersetzung mit Fragen danach, was der Mensch ist, was den Menschen zum Menschen macht und was der Mensch für Entwicklung, Lernen und Leben benötigt. Die Grenzerfahrungen menschlichen Lebens (z.B. Menschen im apallischen Syndrom; anenzephale Kinder; Menschen, die als „austherapiert oder gemeinschaftsunfähig“ kategorisiert sind) werden dabei explizit berücksichtigt.

Behinderung wird nicht als Eigenschaft sondern als Relation bzw. Konstruktion betrachtet. Menschliches Verhalten gilt als sinnhaft und aus der Lebensgeschichte bzw. der Lebenswelt des Menschen zu erklären. Dabei werden konkrete Ausgangs- und Randbedingungen des Menschen berücksichtigt.

 

Forschung und Lehre am Lehrstuhl

Forschung wird im Sinne Pierre Bourdieus verstanden, d.h. als Suche nach dem hinter den Untersuchungsgegenständen Verborgenen bzw. bislang Unentdeckten. „Ein wissenschaftliches Objekt konstruieren heißt zunächst und vor allem, mit dem common sense brechen, das heißt mit den Vorstellungen, die alle teilen, ob simple Gemeinpätze des Alltagslebens oder offizielle Vorstellungen...überall ist Vorkonstruiertes“ (Bourdieu/ Wacquant 1996, 269).  Die Voraussetzungen sind einer systematischen Kritik oder Analyse zu unterziehen. Damit sind Begriffe, Methoden und Vorgehensweisen zu hinterfragen und entsprechend des Gegenstandes und Erkenntnisinteresses anzupassen. Darüber hinaus sind die  Grenzen der Erkenntnis auszuloten.  Empirisch ausgerichtete Forschung, ob sie sich quantitativ oder qualitativ versteht (hier kommt das Primat dem Qualitativen zu) sollte Bezug nehmen zu humanwissenschaftlichen Theorien und Erkenntnissen. Wissenschaftstheoretische Bezüge, die höchste Bedeutung für den Gegenstand dieses Faches haben, sind bspw. die kulturhistorische Theorie des Psychischen, die Erkenntnisse der italienischen Anti-Psychiatriebewegung, die materialistische Behindertenpädagogik, der kritische Konstruktivismus und die Systemtheorie Maturana/Varelas. Darüber hinaus bieten neurowissenschaftliche, psychologische, psychoanalytische, philosophische und soziologische Erkenntnisse Erklärungen auf die Fragen des Faches.

Entscheidend für den Forschungsprozess ist es, diesen als das Zusammentreffen mehrere „Geschichten“, so der Geschichte aller am Forschungsprozess Beteiligter und der Geschichte des  Forschungsgegenstandes zu betrachten. Als ForscherIn ist die Selbstreflexion ebenso bedeutsam wie die Berücksichtigung der Perspektive/Innensicht der am Forschungsprozess beteiligten Personen. Forschung und Lehre sind stets aufeinander bezogen. Die dargestellten Grundprämissen und Annahmen, v.a. fachbezogene Reflexivität und Selbstreflexivität sind in der Hochschuldidaktik verankert. Bedeutsam ist allen Lehrenden am Lehrstuhl die Begegnung und Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden.

Bourdieu, P./Waquant, L.J.D. (1996): Reflexive Anthropologie. Suhrkamp, Frankfurt a.M.